Positionspapier zur Volksinitiative «Mehr bezahlbarer Wohnraum im Kanton Zürich»
Hearing bei der WAK am 22.10.2024, 15.30 Uhr, Florhofgasse 8, Zürich
Beurteilung der Initiative aus Sicht der Städte und Gemeinden:
Pro-Argumente
- Mehr als 90% der Familien im Kanton Zürich können sich den Erwerb von Wohneigentum nicht mehr leisten. Gleichzeitig steigen die Mieten immer weiter und dies nicht nur in Zentren. Von 2009 bis 2020 sind die Angebotsmieten im Kanton Zürich um 22,4% gestiegen (Quelle: homegate.ch). Gemeinnützige Wohnbauträger könnten eine Trendwende einleiten.
- Mit dem Vorkaufsrecht würde keine Pflicht statuiert; die Gemeinden wären in ihrer Autonomie nicht eingeschränkt.
Contra-Argumente
- Wohnbauförderung ist kein gesetzlicher Auftrag der öffentlichen Hand. Es ist unklar, was die Gemeinde danach mit dem Land machen soll. Es kann weder eine Pflicht zur Wohnbauerstellung noch eine zeitliche Vorgabe abgeleitet werden. Es ist nicht Aufgabe der politischen Gemeinden, in den privaten Landmarkt einzugreifen. Innert 60 Tagen kann unmöglich eine rechtskräftige Entscheidung aus der öffentlichen Hand erwirkt werden, ausser man erteile der Immobilienabteilung ein Globalbudget und eine Generalvollmacht für Immobilienkäufe.
- Es wird in der Initiative nicht zwischen bebauten und unbebauten Grundstücken unterschieden. Die Gesetzesänderung würde die Rollen im Wohnungsmarkt umkehren und durch staatliche und marktfremde Eingriffe zu einer schleichenden Verstaatlichung führen. Vorkaufsrechte für Gemeinden widersprechen der Schweizer Wirtschaftsordnung fundamental, sind unflexibel, bürokratisch und kommen einer Planwirtschaft gleich.
- Die Umsetzung würde dazu führen, dass jede Gemeinde Rahmenkredite für den unmittelbaren Kauf zur Verfügung haben müsste (strategischer Landhandel), da die Erfahrung zeigt, dass ansonsten die politischen Entscheide je nach Kreditkompetenz viel zu lange dauern. Das Verfahren, wie unter § 14e WBFG Abs. 3 erwähnt, ist unmöglich umzusetzen. Verkaufsgeschäfte würden ungebührlich in die Länge gezogen und die Verkäufer monatelang hingehalten.
- Die Vorkaufsrechte sind abschliessend im Art. 682 ZGB geregelt. Auch wenn aufgrund des Gesetzesvorschlags (§ 14c Abs. 3) das Vorkaufsrecht geregelt würde, käme man nicht darum herum, das ZGB entsprechend zu ergänzen. Das Privatrecht hat in der Schweizer Gesellschaft generell einen hohen Stellenwert. Ebenfalls ist klar, dass die Grundbuchämter einen wesentlichen Mehraufwand hätten und entsprechende Personalressourcen aufzubauen wären.
Auch wenn die Gemeindeautonomie beim Vorkaufsrecht gewahrt bliebe, überwiegen die negativen Aspekte dieser Vorlage. Ausserdem weisen wir in diesem Zusammenhang darauf hin, dass der Wohnungsbau durch die vielen gesetzlichen Vorschriften und Massnahmen massgeblich verteuert wird.
Die Städte Zürich und Winterthur, die bereits sehr weitgehende gesetzliche Grundlagen zu diesem Thema haben, werden ihre Haltung separat vertreten.
Beurteilung des Gegenvorschlags des Regierungsrates aus Sicht der Städte und Gemeinden:
Pro-Argumente
- Bauträger werden durch die erhöhte Verbilligung des Baus von gemeinnützigen Wohnungen darin unterstützt, preisgünstigen Wohnraum zu schaffen.
- Dank der Verdopplung des Rahmenkredits stehen die Mittel für die erwartete erhöhte Nachfrage zur Verfügung.
- Die in der Wohnbauverordnung zusätzlich vorgesehenen Massnahmen wirken gut abgestimmt und dienen dem Ziel, rasch preisgünstigen Wohnraum bereitzustellen.
- Der Gegenvorschlag ist im Gesamten kostengünstiger und könnte ohne rechtliche Anpassungen und Eingriffe in die Wirtschaftsfreiheit und in die Eigentumsgarantie umgesetzt werden.
- Projekte von nicht gemeinnützig ausgerichteten Bauträgern werden nicht erschwert.
- Die Gemeinden legen die Höhe der Darlehen selbst fest (mindestens 20% wie bis anhin), wodurch die Gemeindeautonomie gewahrt bliebe. Jedoch würde sich das kantonale Wohnbauförderungsdarlehen entsprechend verringern.
Contra-Argumente
- Die Darlehen der Gemeinden würden sich mit der Erhöhung der Obergrenze der Wohnbauförderungsdarlehen pro unterstütztes Projekt um potenziell 25% erhöhen. Sollte dies jedoch die finanziellen Möglichkeiten einer Gemeinde übersteigen, könnte diese sich weiterhin lediglich mit einem Darlehen im Umfang von 20% der pauschalierten Gesamtinvestitionskosten am Projekt beteiligen. Allerdings würde sich das kantonale Wohnbauförderungsdarlehen entsprechend verringern, da sich das Darlehen der kantonalen Wohnbauförderung grundsätzlich nach der Höhe der Gemeindeleistung zu richten hat (§ 8 Abs. 1 WBFG).
Fazit: Der GPV lehnt die Initiative ab und stimmt dem Gegenvorschlag zu.
Das Vorkaufsrecht der Gemeinden ist in verschiedener Hinsicht kein taugliches Mittel, den gemeinnützigen Wohnbau zu fördern, auch wenn die Gemeindeautonomie dabei gewahrt bliebe. Wenn eine Gemeinde eine Liegenschaft kaufen möchte, kann sie dies bereits heute tun. Jedoch kann mit einer allgemein erhöhten Förderung von preisgünstigem Wohnraum, wie sie der Gegenvorschlag vorsieht, der gesellschaftliche Zusammenhalt gestärkt und der Gentrifizierung entgegengewirkt werden. Wichtig ist, dass die Gemeinden ihren Darlehensbeitrag selbst festlegen können. Es entspricht einem wahrnehmbaren Bedürfnis der Bevölkerung, in diesem Bereich unterstützt zu werden. Gelingt es mit der Förderung des gemeinnützigen Wohnungsbaus, gleichzeitig das Angebot an Wohnraum insgesamt auszudehnen, profitiert die gesamte Gesellschaft davon.
Datum der Neuigkeit 25. Okt. 2024