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22.12.2024 07:17:02
Das Departement für angewandte Linguistik der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften ZHAW wählt jedes Jahr das Wort des Jahres für die Deutschschweiz. Für nächstes Jahr wäre das Wort «Resilienz» ein guter Kandidat.
Die letzten Jahre haben uns gelehrt, dass Resilienz, auf Neuhochdeutsch Widerstandsfähigkeit oder Krisenfestigkeit, ein unverzichtbares Mittel der öffentlichen Hand, mithin jeder Gemeinde, ebenso der ganzen Gesellschaft ist, um sich gegen jegliche Unbill zu wappnen. Bei gutem Wetter ist jeder Kapitän gut, im Sturm zeigt sich aber, welcher Kapitän auch resilient ist, wer in Szenarien und Optionen und generell vorausgedacht hat. Resilienz ist ein Grundsatz, der beim Grossteil der westlichen Gesellschaft seit dem Ende des Kalten Krieges Anfang der 90er-Jahre in Vergessenheit geraten war. Sei es bei Corona, bei der unerwarteten Aufnahme von zehntausenden von Schutzsuchenden aus der Ukraine oder bei einer möglichen Energiemangellage: die öffentlichen Strukturen müssen auch im stürmischen Gegenwind standhalten.
Offen gestanden, ich habe es ja nicht so mit Fremdwörtern, aber vermutlich liegt es an der Häufigkeit der Nennung oder der Begegnung. Das Wort Resilienz stammt vom lateinischen resilire und bedeutet gemäss den einschlägigen Nachschlagewerken so viel wie «abprallen» oder «zurückspringen», was bedeutet, nach einer starken Belastung oder einer Störung wieder in das Ausgangsstadium zurückkehren. Freier übersetzt könnte es verstanden werden als widerstandsfähig oder krisenresistent. Dabei ist der Begriff gar nicht so neu. Seit 1950 kennt man ihn in den Naturwissenschaften, seit 1970 in der Pädagogik und der Psychologie. Seit 1990 wird der Begriff auch in der Wirtschaft und in Staaten oder staatlichen Organisationen verwendet.
Es ist also nicht überraschend, dass mir dieses Wort in der jüngsten Vergangenheit immer wieder begegnet. Bei der Analyse und Nachbearbeitung der Krisenbewältigung in den letzten Wochen und Monaten stellen sich ganz selbstredend die Fragen: wie gut waren wir vorbereitet, wie haben wir die Geschehnisse verkraftet und bewältigt, mit welchen Massnahmen können diesbezüglich Verbesserungen erreicht werden? Dabei geht es weniger um die Fragestellung, mit welchen Massnahmen die Krise besser hätte bewältigt werden können. Vielmehr geht es darum, unsere Organisationen, unsere Unternehmen, unsere staatlichen Einrichtungen, aber auch unsere Gesellschaft möglichst widerstandsfähig gegenüber möglichen Ereignissen auszugestalten. Schäden an technologischer oder sicherheitsbezogener Infrastruktur sollen möglichst geringgehalten, Versorgungssysteme sollen mindestens doppelt geführt werden. Aber Resilienz bedeutet darüber hinaus auch die Fähigkeit jeder einzelnen Person, sich von Tiefschlägen zu erholen oder auf Herausforderungen und Veränderungen zu reagieren.
Wenn wir die Wirtschaft anschauen, dann belegen die aktuellen Zahlen, dass wir insgesamt robust unterwegs sind. Das Wirtschaftswachstum hat auch 2022 das Wachstum des Vorcoronaniveaus übertroffen, wobei uns bewusst sein muss, dass es Gesamt- und Durchschnittswerte sind, die nicht verallgemeinert werden dürfen. Es gab Branchen, die weit stärker betroffen waren als der Durchschnitt, andere profitierten von den Entwicklungen. Die Wirtschaft hat sich also sehr rasch wieder erholt oder sich auf Vorkommnisse und Entwicklungen reagiert, sie ist also resilient. Wie ist es aber mit unserer Gesellschaft, unseren Gemeinden oder auch mit uns persönlich? Die Experten sind sich weitgehend einig, wenn es darum geht, die Resilienz zu verbessern. Es ist nötig Verantwortung zu übernehmen, zukunftsgerichtet Lösungen zu suchen und vor allem, optimistisch in die Zukunft zu schauen.
Resilienz ist nicht nur ein aussagekräftiges Wort, sondern es gehört - wenn es dies nicht bereits war -, ab sofort auch von seiner grundlegenden Bedeutung her zum Grundwortschatz der Gemeinden, die sich für die Zukunft widerstandsfähig und krisenfest aufstellen sollten.
Jörg Kündig, Präsident GPV ZH
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